Der Opel Blitz 3,6 LF8 - FFW Neukirchen / Erzgeb.

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Der Opel Blitz 3,6 LF8

Feuerwehr Chronik
 


Ein Stück rollende Geschichte – OPEL 3,6 -
ein LF 8 der FFW Neukirchen / Erzgebirge

 
Im August 1959 stand der FFW Neukirchen / Erzgebirge zum zweiten Mal in ihrer Geschichte ein genormtes Löschfahrzeug in geschlossener Bauweise zur Verfügung. Ein LKW-Fahrgestell der Marke Opel 3,6 mit allen erforderlichen Aggregaten wurde durch Kameraden der FFW Neukirchen in Eigenleistung betriebs- und verkehrssicher aufgearbeitet. Überliefert ist, dass dieses Fahrgestell samt Motor, Getriebe und Achsen, aber ohne Fahrerhaus (als fahrbereites Fragment eines Lkw zu betrachten) im zeitigen Frühjahr des Jahres 1957 durch Kameraden der FFW Neukirchen / Erzgebirge per Achse nach Görlitz gefahren wurde. Zeitzeugen berichteten, dass der Fahrersitz mehr oder weniger aus Obstkisten bestand. Dramatisch wurde die Überführung dieses „offenen Fahrzeuges“ auf der Autobahn, als man auf halbem Weg zwischen Karl-Marx-Stadt und Dresden plötzlich in schlechtes Wetter mit erheblichem Schneefall geriet. Aber auch diese Widrigkeit brachte die beteiligten Kameraden nicht davon ab, die einmal begonnene Aktion bis zum Ende durchzuziehen. Die Montage des genormten Löschfahrzeugaufbaues erfolgte im damaligen VEB Feuerlöschgerätewerk Görlitz und dauerte ca. 18 Monate. Sicher haben sich zu dieser Zeit die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Neukirchen ein fabrikneues Löschfahrzeug gewünscht. Aber einen solchen Wunsch konnte die Wirtschaft der DDR mit all ihren Plänen zu dieser Zeit auch nur nicht erfüllen. Es erfolgte somit der Rückgriff auf ein Vorkriegsprodukt. Erstaunlich ist, dass damals von staatlicher Seite nicht darauf gedrungen wurde, das Firmenlogo „Opel – Blitz“ nicht am Fahrzeug anzubringen. Durch junge Kameraden der FFW (Heiko Bochmann, Uwe Grünzig, Heiko Leonhardt) wurde dieses Fahrzeug nach seiner Ausmusterung aus dem Feuerwehrdienst in den Jahren 1993/94 einer umfangreichen Restaurierung unterzogen und stand danach als Feuerwehr-Oldtimer für festliche oder historische Anlässe zur Verfügung.

 
 
LF 8-Opel 3,6 um das Jahr 1960
 

 
Das Fahrzeug wurde seit 1995 vorwiegend zu Repräsentationszwecken genutzt. Veranstaltungen befreundeter Feuerwehren wurden in erheblichem Maße durch die Präsenz dieses Fahrzeuges aufgewertet, aber auch bei Hochzeitsfeiern heiratswilliger Feuerwehrkameraden machte der Opel-Blitz eine durchaus gute Figur.
 
 
Die in den Jahren 1993/94 durchgeführten Restaurierungsarbeiten waren in der Tat umfangreich, erstreckten sich aber vorwiegend auf das äußerliche Erscheinungsbild des Fahrzeuges. Der Zahn der Zeit hatte in erheblichem Maße an den Kotflügeln und Türbeplankungen genagt. Umfangreiche Karosseriebauarbeiten an diesen Teilen waren erforderlich, um ähnliche Rohteile an die Maße der Originalteile anzupassen. Die ursprüngliche Lackierung war an vielen Stellen gerissen, da sich die darunter befindliche Spachtelmasse im Laufe der Jahre gelöst hatte. Schleifen, schleifen und nochmal schleifen war die Grundvoraussetzung um eine neue Lackierung „aufzubauen“.
 
Die Kameraden Heiko Bochmann, Uwe Grünzig, Heiko Leonhardt investierten viel Zeit, Schweiß, Fingerspitzengefühl und jede Menge berufliche Erfahrung in diese Baustellen. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen und das Fahrzeug war einer der „Hingucker“ zum 135. Jahrestag der Freiwilligen Feuerwehr Neukirchen / Erzgebirge in Jahre 1995.
 
 
 
LF 8 Opel 3,6 nach der 1. Restaurierung im Mai 1995
 

Nach vielen Schauvorführungen, Umzugsteilnahmen und Hochzeitsfeiern stellte sich jedoch heraus, dass Radlager, Bremsen, Federung und Ventilsteuerung des Motors einer intensiveren Inspektion bedurften. Radlager, Bremsen und die Federung konnten durch Mitglieder des  Feuerwehrvereins in Eigenleistung instandgesetzt werden. Natürlich bedurfte es auch hier einer Reihe guter Verbindungen, um wirklich passende Ersatzteile aufspüren zu können. Erhältlich ist fast alles, man muss nur wissen, in welcher Ecke Deutschlands die Teile noch vorrätig sind. Problematischer war es, die Ventilsteuerung des Motors so einzustellen, dass die sechs Zylinder wieder sauber funktionierten. Nach vielen Übungen, Fehlzündungen und einigem Kopfzerbrechen wurde entschieden, der Ursache der „Unwilligkeit“ auf den Grund zu gehen. Das Ergebnis der Untersuchung war niederschmetternd. Die komplette Lagerung der Nockenwelle hatte den Geist aufgegeben. Das war auch der Grund, weswegen die Zahnräder der Ventilsteuerung ein bislang unerklärliches Verschleißbild zeigten. Wenn die Lagerung der Nockenwelle schon so schlecht aussah, wie musste es dann um die Kurbelwellenlager und um die Pleuellager dieses Motors bestellt sein? Zerlegung und Sichtung der betroffenen Teile waren die nächsten Arbeitsschritte, die vom gelernten Mechaniker Frank Bochmann ausgeführt wurden. Er musste bedauerlicherweise feststellen, dass von den Lagerschalen nicht eine einzige noch ihre ursprüngliche Form hatte.
 
An Stelle der Lagerschalen wurden nur noch Bruchstücke vorgefunden. Dass diese Bruchstücke trotzdem als Lager funktionierten und am vorgesehenen Ort blieben, ist der konstruktiven Gestaltung der Lagerstellen zu verdanken. Die Bruchstücke konnten nicht „verloren gehen“, sie wurden im Laufe der Zeit lediglich zu Metallstaub zerrieben. Das führte unweigerlich zu einer Verschmutzung des Motorenöls und bewirkte die Zerstörung der Ölpumpe und ebenso die Zerstörung der Lagerzapfen bzw. Pleuelzapfen. Guter Rat war teuer. Aber bei Oldtimerfreunden gibt es bekanntlich den Spruch: „Geht nicht, gibt’s nicht!“. Man muss nur wissen „Wo gibt es“, „Wer hat noch“, „Wer stellt wieder her“. Nach vielen Recherchen und Verhandlungen konnten alle erforderlichen Teile beschafft werden. Es musste nur noch ein Spezialist gefunden werden, der die mechanische Bearbeitung der beschädigten Lagerstellen ausführen konnte. Diese Aufgabe kann kaum ein Oldtimerfreund in der eigenen Garage selbst bewerkstelligen. Hierzu bedarf es geeigneter Maschinen und Messmittel und  einer gehörigen Portion Know-How um diese Reparaturaufgabe so hinzubekommen, dass der Motor letztendlich wieder läuft. All das wurde bei der Firma Motoren-Frech in Pleißa gefunden. Der sogenannte Rumpfmotor wurde von dieser Firma entsprechend aufgearbeitet und anschließend in der eigenen Garage von Kameraden Frank Bochmann wieder komplettiert.
 
 
Übrigens, die vorgefundenen Lagerschäden an diesem Motor sind nicht etwa auf eine mangelhafte Wartung und Pflege des Fahrzeuges zurückzuführen. Ausschlaggebend für diese Schäden dürfte die „feuerwehrtypische“ Nutzung des Fahrzeuges in den zurückliegenden Jahren sein:
 
Alarm – Kaltstart – Vollgas – Kurzstrecke – unterschiedliche Fahrweise durch wechselnd Fahrer – ganz gleich, ob +30°C oder ob -20°C herrschten.  
 
 

 
Das wiederbelebte Fahrzeug LF 8 Opel 3,6 am 26.März 2016 auf Probefahrt
 

 
Frank Bochmann wäre nicht Frank Bochmann, wenn ihm nicht noch eine Vielzahl anderer Baustellen an diesem Fahrzeug aufgefallen wären. Unter dem Motto „ Wenn wir schon so weit eingegriffen haben, dann bringen wir den Rest auch noch in Ordnung.“ hat er eine Unmenge von Ideen, von handwerklichem Geschick und an Zeit investiert, um in vielerlei Hinsicht den Zustand des Fahrzeuges wieder zu verbessern.
 
 
Hierzu einige Beispiele:
 
 
Die Windschutzscheibe wurde nach einer selbst geschaffenen Schablone neu angefertigt, um eine an vielen Stellen nicht passende und undichte Windschutzscheibe zu ersetzen. Die Chemnitzer Firma Autoglas Kothe war der richtige Partner für die Fertigung der neuen Windschutzscheibe.
 
 
Das Armaturenbrett aus Sperrholz wurde durch eine komplett neu aus Blech gefertigte Armaturentafel ersetzt und entspricht damit hinsichtlich Form und Material wieder dem Opel-Originalteil. Gefertigt wurde dieses Teil durch Frank Bochmann in reiner Handarbeit nach alten Prospektbildern.
 
 
Die unzureichende Abdichtung der Windschutzscheibe führte zur Zerstörung diverser Holzbauteile am Fahrerhaus. Die erforderlichen Holzteile dieses „Fensterrahmens“ wurden durch Frank Bochmann neu angefertigt und entsprechend eingepasst.
 
 
Die in früheren Jahren Stück für Stück ergänzte Elektroanlage des Fahrzeuges war selbst für Kenner der Materie zu unübersichtlich geworden. Jeder freie Platz im Motorraum wurde für die Befestigung von Relais, Sicherungskästchen, Schaltern und Zusatzkabeln genutzt. Das Chaos musste einer Neuanordnung weichen.
 
  
 
Der Kabelbaum des Fahrzeuges zeigte an vielen Stellen Brüche der Isolation und viel „Wildwuchs“ auf Grund der vielen nachträglichen Installationen. Auch dieses Problem wurde durch Frank Bochmann gelöst. Er „züchtet“ einen neuen Kabelbaum, ohne den beschriebenen Wildwuchs, mit vorschriftsmäßigen Kabelquerschnitten und standardisierten Kabelfarben und mit einer professionellen Umhüllung. Da bedarf es zwangsläufig einer ausgeprägten Vorstellungskraft, technischem Verständnisses und 100% Durchblick, um so etwas aus dem Nichts herzustellen.
 
 
Karosseriearbeiten an Motorhaube, Kühlergrill und Stoßstange waren erforderlich, um bestehende Beschädigungen, Verformungen und Korrosionsstellen zu beseitigen. Die hierzu erforderlichen Blecharbeiten führte Frank Bochmann eigenständig aus. Für erforderliche Sandstrahl- und Lackierarbeiten konnten die Chemnitzer Firma Fahrzeugbau Mordelt und die Stollberger Firma Piterek gewonnen werden.
 
 
In einer Vielzahl von Arbeitsstunden wurde das Fahrzeug von Frank Bochmann wieder komplettiert, um schließlich am 21. Mai 2016 zum „Tag der offenen Tür“ der Freiwilligen Feuerwehr Neukirchen / Erzgebirge wieder der Öffentlichkeit vorgestellt zu werden.
 
 

 
In alter Pracht – „Tag der offenen Tür“ am 21. 05. 2016
 

 
Der nächste öffentliche Auftritt erfolgte am 12. Juni 2016 anlässlich des Festumzuges zum 7. Floriansfest der Freiwilligen Feuerwehr Adorf / Erzgebirge.
 

 
LF 8 Opel 3,6 im Festumzug zum 7. Floriansfest der FFW Adorf 2016
 

 
Dass dieses Stück rollende Geschichte der Freiwilligen Feuerwehr Neukirchen / Erzgebirge für Repräsentationszwecke wieder einsatzbereit ist, ist der freiwilligen Arbeit des Kameraden Frank Bochmann zu verdanken. Er leistete den Hauptanteil der für die Wiederbelebungsmaßnahmen erforderlichen Arbeiten. Selbstverständlich wurde er gelegentlich von einer Reihe von Mitgliedern der FFW und des Feuerwehrvereins unterstützt, wenn die anfallenden Tätigkeiten nicht von einer Einzelperson ausgeführt werden konnten.
 
 
Allen beteiligte Kameraden, insbesondere aber dem Kameraden Frank Bochmann, gilt der Dank der Wehrleitung der FFW Neukirchen / Erzgebirge und der Dank des Vorstandes des Feuerwehrvereins 1860 Neukirchen / Erzgebirge (e. V.) für die geleisteten Arbeiten zum Erhalt dieses nunmehr 57 Jahre alten Feuerwehrfahrzeuges.
Retten - Löschen - Bergen - Schützen / 365 Tage im Jahr / 24 Stunden täglich
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